In diesem Artikel werden die gesundheitlichen Auswirkungen von Rassismus und Grenzregimen auf marginalisierte Bevölkerungsgruppen im deutschsprachigen Raum in den Fokus genommen.

Online verfügbar unter: https://www.ssoar.info/ssoar/handle/document/91227, letzter Zugriff am 03.09.2024. Seite 326-336

Vorgelegt von Zahiya Hafez

 

Der Artikel „Community Health und Rassismus“ bietet eine tiefgehende und kritische Analyse der gesundheitlichen Auswirkungen von Rassismus und Grenzregimen auf Migrant*innen und BIPoC (Black, Indigenous, and People of Color) im deutschsprachigen Raum. Die Autor*innen setzen sich dabei nicht nur mit aktuellen gesundheitswissenschaftlichen Debatten auseinander, sondern erweitern diese durch eine postmigrantische Perspektive, die die Auswirkungen von Herrschafts- und Gewaltverhältnissen auf die Gesundheit von marginalisierten Gruppen ins Zentrum stellt.

Ein herausragendes Merkmal des Artikels liegt in seiner umfassenden und interdisziplinären Herangehensweise. Die Autor*innen integrieren Erkenntnisse aus der Soziologie, Gesundheitswissenschaften, Medizinethnologie und kritischen Rassismusforschung, um ein holistisches Bild beziehungsweise eine Gesamtsicht der gesundheitlichen Ungleichheiten zu zeichnen. Durch diese vielschichtige Betrachtung gelingt es ihnen, die komplexen Zusammenhänge zwischen strukturellem Rassismus, gesundheitlichen Belastungen und sozialen Ungerechtigkeiten aufzuzeigen.

Des Weiteren ist die kritische Auseinandersetzung mit den humanitären Diskursen besonders überzeugend, welche die europäische Grenzpolitik begleiten. Der Artikel zeigt auf, wie diese Diskurse dazu beitragen, die Gewalt und Desintegration in den Lagersystemen zu verschleiern, während sie gleichzeitig die offizielle Willkommenskultur propagieren. Diese Analyse legt die Widersprüche und Heuchelei der politischen Rhetorik offen und trägt wesentlich zur Diskussion um Migration, Gesundheit und gesellschaftliche Verantwortung bei.

Zudem ist die wissenschaftliche Fundierung des Artikels beeindruckend und durch eine Fülle von Studien und theoretischen Ansätzen gestützt. Insbesondere die Anwendung der ökosozialen Theorie von Krieger (2011) ist hier hervorzuheben, die verdeutlicht, wie sich gesellschaftliche Ungleichheiten in biologischen Gesundheitsdisparitäten niederschlagen. Dieser theoretische Rahmen ermöglicht es den Autor*innen, die Verkörperung von Diskriminierung und die daraus resultierenden Gesundheitsungleichheiten präzise zu erklären.

Neben den theoretischen Erörterungen bietet der Artikel auch eine detaillierte Diskussion über die gesundheitlichen Belastungen in marginalisierten Stadtteilen und Sammelunterkünften. Er zeigt eindrücklich auf, wie die unzureichende gesundheitliche Infrastruktur und belastende Umweltbedingungen in diesen Gebieten zu einer verschlechterten Gesundheitssituation bei BIPoC und Migrant*innen führen. Diese Analyse wird durch aktuelle Daten und Studien

gestützt, die die Auswirkungen von Lärm-, Luft- und Sicherheitsverhältnissen auf die Gesundheit in marginalisierten Gemeinschaften untersuchen (Köckler, 2017, S. 210).

Trotz seiner zahlreichen Stärken, weist der Artikel meines Erachtens auch einige Schwächen auf. Ein zentraler Kritikpunkt liegt in der begrenzten Verfügbarkeit systematischer Studien zu den gesundheitlichen Effekten von Rassismus im deutschsprachigen Raum. Obwohl die Autor*innen diese Lücke erkennen, bleibt unklar, wie zukünftige Forschungsprojekte dazu beitragen könnten, diese Wissenslücke zu schließen. Hier wäre eine vertiefte Diskussion über mögliche methodische Ansätze und Forschungsdesigns wünschenswert, um die gesundheitswissenschaftliche Forschung in diesem Bereich weiter voranzutreiben und die Komplexität des Themas umfassender zu beleuchten.

Außerdem besteht eine weitere Verbesserungsmöglichkeit in der verstärkten Einbeziehung von Betroffenenperspektiven. Obwohl der Artikel überzeugend empirische und theoretische Analysen präsentiert, fehlt es an direkten Stimmen und Erfahrungen von BIPoC und Migrant*innen, die die geschilderten gesundheitlichen Belastungen und Diskriminierungen aus erster Hand darlegen. Die Integration solcher Perspektiven stärkt die Argumentation und stellt die Dringlichkeit der beschriebenen Problematik authentischer dar.

Zusammenfassend bietet der Artikel „Community Health und Rassismus“ eine bedeutende und reflektierte Auseinandersetzung mit den gesundheitlichen Auswirkungen von Rassismus und der Grenzregime auf marginalisierte Bevölkerungsgruppen im deutschsprachigen Raum. Seine interdisziplinäre Herangehensweise und die Verknüpfung verschiedener theoretischer Ansätze machen ihn zu einem wertvollen Beitrag in der Gesundheitswissenschaft. Trotz einiger methodischer und inhaltlicher Schwächen liefert der Artikel wichtige Impulse für zukünftige Forschung und Praxis. Er ruft zu einem Paradigmenwechsel in den Gesundheitswissenschaften auf und betont die Dringlichkeit, Herrschaftsverhältnisse, das Verhalten der Grenzregime und Rassismus als zentrale Faktoren in der gesundheitlichen Forschung und in der Folge auch der praktischen medizinischen Versorgung zu berücksichtigen. Daher ist der Artikel sehr zu empfehlen und somit lesenswürdig.

Als angehende Sozialarbeiterin halte ich den Aufbau von Netzwerken und Kooperationen für entscheidend. Die Zusammenarbeit zwischen Forschungseinrichtungen, Universitäten, gemeinnützigen Organisationen und Betroffenengruppen könnte dazu beitragen, Ressourcen zu bündeln und den Zugang zu verschiedenen Datensätzen und Informationen zu erleichtern. Gleichzeitig ist es wichtig, durch Empowerment Angebote und politisches Engagement auf die negativen Einflüsse aufmerksam zu machen, um diese gezielt zu bekämpfen und ihre Auswirkungen zu minimieren. Diese Erkenntnisse werde ich aktiv in meine zukünftige Arbeit als Sozialarbeiterin einfließen lassen, um einen Beitrag zur Verbesserung der gesundheitlichen Chancengleichheit für alle Menschen zu leisten.